Goldene Hochzeit 😍 – ein Meisterwerk fĂŒr eine Meisterleistung….. die Kardinalschnitte

Teigspachtel #19  Kardinalschnitte (aus „Vollpension Kuchen von der Oma“, Pichler Verlag)

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Einige Tage vor Ostern berede ich mit meiner Mama wie, wann, wer, zu wem usw. also die ĂŒblichen Fragen anlĂ€sslich hoher Feiertage zwischen Mutter und Kind. Wir einigen uns darauf dass wir zu ihnen kommen. Dann auf die Frage wann zu Ostern sagt sie: „Naja, Sonntag nicht – da koche ich sicherlich nicht.“ Okay, ich lass das mal so stehen, ist ja kein Problem. Aber ich merke, da kommt noch was. Also mach ich mal eine Pause und sag dann „Weil?“ „Naja, schließlich haben wir ja Hochzeitstag!“ Ah, das ist es also. Aber, ich merke, da kommt noch was. Und tatsĂ€chlich, nach einer weiteren kleinen Pause: „Der 50igste!“ Oh du meine GĂŒte! Meine Eltern haben Goldene Hochzeit und mir sagt wieder mal keiner was. 15. April, das wusste ich sogar, aber der 50igste. Das wĂŒrde ja bedeuten, dass mein großer Bruder heuer seinen 50igsten Geburtstag hĂ€tte und ich nĂ€chstes Jahr. Das kann ja wohl nicht sein. Ich rechne nach. 15. April 1967 – tatsĂ€chlich 50 Jahre her !! Es ist einfach nicht zu fassen. Gut, ich hĂ€tte von selbst drauf kommen können, bin ich aber nicht. So richtig gefeiert wird wohl kaum, wird auch in meiner Herkunftsfamilie eher nicht. Wir sind nicht so fĂŒrs Feiern gemacht. 40iger, 50iger, 70iger 
 das ist nicht so richtig ein Anlass fĂŒr eine große Feier. 60iger – eventuell. Goldene Hochzeit – wohl eher nicht, sonst hĂ€tte ich es wahrscheinlich schon frĂŒher erfahren. Überhaupt ist meine Familie etwas sonderbar. Jede Familie hat ja so ihren eigenen Familienhumor, Witze, die ĂŒber Generationen weitergegeben werden, Anekdoten, die jedes Jahr zu Weihnachten erzĂ€hlt werden usw. Nun, unser Familienhumor ist – ich sag es mal so – etwas gewöhnungsbedĂŒrftig. FĂŒr Fremde, Nichteingeweihte, wirkt er vielleicht manches Mal wie gar nicht vorhanden, oder eher herb, es ist aber nicht ganz so, er ist subtiler, etwas versteckt und schwarz, dunkelschwarz, sehr britisch. Wenn der eine Zweig der Familie zusammen ist, wo alle mehr oder weniger so sind, funktioniert das gut, die kennen das ja – fĂŒr Fremde oder Angeheiratete– wie gesagt – ĂŒber die Jahre eventuell erlernbar – oder auch nicht.

Nun, also nach meinem Schreck ĂŒber die Goldene Hochzeit meiner Eltern (denn das wĂŒrde ja bedeuten, dass, hĂ€tte ich gleich nach dem Kennenlernen meinen Mann geheiratet, selbst nicht allzu weit von einer „Silbernen Hochzeit“ entfernt wĂ€re und das waren doch frĂŒher steinalte Leute, die die Silberne Hochzeit gefeiert haben) kommt der nĂ€chste Schreck, die Frage nach einem geeigneten Geschenk. Diese Frage verwerfe ich gleich wieder, fĂŒr Fotoalben jeglicher Art oder Videos ist es zu spĂ€t und fĂŒr alles andere eigentlich auch. Also eventuell wenigstens vorab eine Mehlspeise. Was könnte dem Anlass gerecht werden? Es muss was ganz Ausgefallenes sein, toll, lecker, schön
und ja – es kann nur eine geben: die Kardinalschnitte. Habe ich doch ewig damit gehadert, dass ich diese wegen der Backchallenge wirklich machen muss, freue ich mich jetzt ĂŒber einen so außergewöhnlichen Anlassfall. Ich muss dazu sagen, ich hab sie noch NIE gemacht, ich mochte sie frĂŒher auch gar nicht so gern, inzwischen liebe ich sie – zu essen.

Nun gut, Ostersonntag abend erscheint mir ein geeigneter Zeitpunkt fĂŒr die große Herausforderung und ich gehe ans Werk. Kann ja nicht so schwer sein, machen ja andere auch. Ich zieh mir noch schnell zwei YouTube-Videos von Profis rein und gehe frischvergnĂŒgt ans Werk. Schnee schaumig schlagen und ein Biskuit zubereiten macht mir keinerlei Probleme. Dann wird der Schnee in einen Dressiersack gefĂŒllt. Ich hab natĂŒrlich keinen bzw. will ich meinen wiederverwendbaren dann nicht auswaschen, also entscheide ich, ein Einfriersackerl zu verwenden, ich befĂŒlle es und schneide es unten auf – es ist nur ein kleines Loch, wie ich meine und trotzdem kann ich die Masse nicht aufspritzen, nein, es kommt irgendwie die 3fache Menge durch das doch viel zu große Loch. Nun, jetzt ĂŒberspringe ich einen Teil 
. nach dem 3. aufgeschnittenen Einfriersackerl und sehr klebrigen HĂ€nden entscheide ich mich fĂŒr die baldigste Investition in DressiersĂ€cke aller Art. Ich nehme nun also doch meinen wiederverwendbaren, doch sehr kleinen Dressiersack und beginne die Bahnen auf das Backblech aufzuspritzen. Doch die nĂ€chsten Fragen kommen natĂŒrlich sofort. Quer oder lĂ€ngs, in welcher Dicke und Höhe, welche AbstĂ€nde zwischen den Bahnen. Als Buchhalterin hat man halt gerne Zahlen in der Hand, aber so einfach ins Blaue Eischnee auf ein Backblech aufzuspritzen fĂ€llt mir doch etwas schwer. Noch dazu bin ich stĂ€ndig damit beschĂ€ftigt, dass der Schnee wirklich dort rauskommt, wo er soll, in einer halbwegs gleichmĂ€ĂŸigen Fließgeschwindigkeit und StĂ€rke. Der Eischnee will nĂ€mlich den Weg des geringsten Widerstandes gehen und will dauernd oben raus, vielleicht habe ich das Ding auch zu voll gemacht. Meine Finger kleben furchtbar.

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Es ist alles eine Riesenmantscherei, es erinnert mich an frĂŒher, an das Spielen mit Matsche, oder wie wir sagten: Gatsch. Ich könnte mir vorstellen, dass das, was ich grad mache, als therapeutischer Ansatz entdeckt werden könnte. Beim Kardinalschnitten-Eischnee-Bahnen-aufspritzen sozusagen die vielleicht nicht erlebte oder nicht erlaubte Gatscharbeit aus der Kindheit nachzuholen. Das muss ich mir merken und rechtzeitig patentieren lassen. Nun gut. Irgendwann ist alles aufgespritzt (hat ehrlich gesagt, unter der neuen Betrachtungsweise durchaus Spaß gemacht) und ich persönlich finde das vorlĂ€ufige Ergebnis jetzt nicht ganz so schlecht. Also ab in den Ofen. Eigentlich eh ganz easy.

Nach 10 Minuten schaue ich mal ins Backrohr und traue meinen Augen nicht. Man wĂŒnscht sich ja grundsĂ€tzlich ein Aufgehen des Teiges, ein natĂŒrliches, aber was ich sehe, erinnert mich eher an den sĂŒĂŸen Brei, der nicht aufhört zu kochen, und man kann ihn nicht stoppen. Die Eischneebahnen – so sorgfĂ€ltig aufgespritzt sind grad dabei, sich mit den Biskuitteigbahnen zu vermischen, sie rinnen fast ineinander – warum bloß – was habe ich falsch gemacht? Der Teig stĂ¶ĂŸt bereits an die TĂŒr an und will noch höher hinaus. Blöderweise wĂ€chst er aber nicht in die Höhe sondern in die Breite. Nein! Das darf nicht wahr sein. Gut, ich kann nur mehr abwarten, nicht mehr eingreifen, nichts mehr retten. Ja, stimmt, die Bioeier waren dieses Mal besonders groß, ev. hĂ€tte ich eins oder zwei weniger nehmen sollen? Und ich hab alles wirklich sehr lang cremig geschlagen. Ich trinke einen Cognac – was ich wirklich nur in absoluten AusnahmefĂ€llen mache. Egal. Es ist, wie es ist.

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Nach 25 Minuten nehme ich das Desaster raus, das ganze Blech ist mehr oder weniger ein Teig, etwas gestreift noch, aber eher eine Masse. Gutes Aussehen wird ja grundsĂ€tzlich ĂŒberbewertet und ich hoffe noch auf einen guten Geschmack. Die nĂ€chste Frage: soll ich diese Ding stĂŒrzen, um das Backpapier abzuziehen, oder so lassen. Beides birgt gewisse Risken. Ich trinke einen zweiten Cognac – diese Entscheidung muss noch reifen. Dann stĂŒrze ich mutig alles auf ein anderes Backblech und setze mich zum Computer, um die Kardinalschnitte oder was auch immer das wird, abkĂŒhlen zu lassen und mich zu entspannen. Ich wechsle mal auf Rotwein, ein Merlot 2013 aus dem Burgenland, aus Andau, meine Nerven beruhigen sich. In Andau habe ich in meiner frĂŒhesten Jugend sehr viele Ferien verbracht, aber das fĂŒhrt jetzt zu weit. Er schmeckt auf jeden Fall sehr lecker.

Morgen treffe ich auch die Mama von meiner besten Freundin. Diese hat sicherlich hundert Kardinalschnitten in ihrem Leben gemacht. Ich werde morgen mal vorsichtig nachfragen, wo die mögliche Fehlerquelle war.

FĂŒr die FĂŒllung sind 2 EL Marmelade vorgesehen. Was soll ich mit 2 EL Marmelade, wenn ich ein halbes Blech zu fĂŒllen habe. Es Ă€rgert mich immer bei Kardinalschnitten, wenn es nur eine Idee von Marmelade gibt und nicht wirklich Marmelade. Ich erhöhe auf ÂŒ Glas Marmelade und fĂŒge mehr als ÂŒ Glas Preiselbeerkompott dazu. Hoffentlich wird das jetzt nicht zu matschig. Und dann ordentlich Schlagobers drauf – da erhöh ich auch um 50% und dann den Deckel – mit einigem Geschick drauf geklappt. Naja, geht eigentlich.  Zur Sicherheit habe ich gestern auf einen Ostermarkt einen Mohnstrudel kĂ€uflich erstanden. Im Notfall gibt es den. Die Mohnzelten, die ich auch dort gekauft habe – alles direkt aus dem Waldviertel – halten meiner kritischen Bewertung nicht stand – klingt etwas eingebildet, aber meine eigenen finde ich viel besser. 😉 Ich trinke ein 2. Glas Merlot.

Jetzt beschĂ€ftigt mich noch die Frage, wie dieses Riesending jemals in handliche StĂŒcke zerlegt werden kann ohne elektrischen Tranchiermesser? Gut, diese Frage werden wir morgen vor Ort lösen.

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Und ja, bevor ich es vergesse zu erwĂ€hnen: also 50 Jahre verheiratet zu sein, ist wahrhaftig eine Meisterleistung. Sicher, man verspricht es sich, in guten und in schlechten Zeiten, bis dass der Tod uns scheidet, doch diese Worte sind relativ leicht dahin gesagt. 50 Jahre, da gibt es sicher nicht nur Sonnenschein sondern auch so manches Mal Gewitter, Regen oder Hagel. Liebe Mama, lieber Papa, da ihr ja ganz sicher meinen Blog lest: herzliche Gratulation!! Das ist wirklich unglaublich – Hut ab. Das schaffen heutzutage nicht mehr viele Paare. Und – macht bitte weiter so!!

Und am Ende ist es wieder mal gut gegangen. Wie bei uns Menschen auch mit etwas Schminke sprich Staubzucker sieht die Kardinalschnitte dann sogar richtig gut aus und schmeckt wahrlich köstlich.

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