eine Studie über das Leben … in Fuschl am See

Landhotel Schützenhof in Fuschl am See. Hier bin ich nun also gelandet. Ich wollte nach der vielen Arbeit an meinem Blog und überhaupt einfach so einmal ein paar Tage alleine Urlaub machen. Ausspannen. Ruhe haben. In der Sonne liegen. Nichts tun. Und ich wähle das Salzkammergut, weil es so ganz anders ist als mein Neusiedler See und weit genug weg, um das Gefühl von Urlaub aufkommen zu lassen.

Die Autofahrt ist ganz entspannt. Ich höre Musik, meine Musik, Musik, die ich mag, das ist schon mal Urlaubsfeeling pur. Das Thermometer zeigt 23 Grad bei der Abfahrt. Gerade angenehm für mich. Könnte etwas wärmer sein, aber gut. Während der Fahrt ändere ich von Klimaanlage auf Nicht-Klimaanlage und irgendwann nach Mondsee auf Heizung. Schön, dass mein Auto so flexibel ist. Ankunft bei 11 Grad und leichtem Regen. Naja, das muss noch gar nichts heißen.

Empfangen werde ich von einer Dame vielleicht in meinem Alter, eventuell etwas jünger. Sie stellt sich nicht vor, ich hingegen schon und sie gibt mir etwas gleichgültig den Meldezettel. Dann klingelt doch noch etwas in ihrem Kopf bei meinem Namen, sie reißt mir den Zettel wieder aus der Hand und tauscht ihn gegen einen bereits mit meinen Daten vorausgefüllten Zettel. Ich muss nur noch unterschreiben. Auf meine freundlich gemeinte Frage, was das denn für ein Wetter sein, meint sie nur trocken: Heute ist noch gut, morgen wird es schlechter. Aha, na danke schön. Da kommt Freude auf. Ich verzichte auf weiteren small talk und beziehe mein Zimmer. Teppichboden – mag ich zwar nicht so gerne, aber okay. Das Zimmer ist groß, mit Doppelbett und Sitzgruppe und sogar einem Balkon (mit Blick nicht auf den See) und anbei ein Badezimmer, auch schön groß mit Waschbecken, Dusche und WC. Es liegt auch ein Bademantel und Badeschlapfen bereit – ein Saunabesuch wäre vielleicht keine schlechte Idee. Damit verbringe ich dann tatsächlich die Zeit bis zum Abendessen.

Der Speisesaal ist groß und sehr angenehm mit hübschen Vorhängen, überall Blumenarrangements an den Fenstern und das Beste, einer großen Fensterfront mit Blick direkt auf den See. Wunderschön. Die Kellnerinnen sind alle ausnahmslos sehr freundlich und erfüllen alle Wünsche sofort. Das schätze ich sehr. Was noch erwähnenswert ist, es gibt keine fixe Tischeinteilung, sondern die Tische werden einfach von den Gästen bei jedem Essen neu gewählt. Das finde ich als Alleinreisende sehr angenehm und bringt mich (nachdem ich früh genug da bin) auch in den Genuss eines Tisches direkt am Fenster mit Blick zum See. Das 2. Besteck wird einfach wortlos abgeräumt und man hat keine Sekunde ein komisches Gefühl alleine hier zu sitzen. Das Essen ist wirklich hervorragend.

Ausblick
Blick auf den See

Nachdem ich ja viel Zeit habe so alleine, und auch gerne langsam esse, kann ich mir erlauben, meine Gedanken schweifen zu lassen und meine Mitreisenden etwas zu beobachten. Es ist sehr interessant. Das Auffallendste ist das Durchschnittsalter, ca. 65 Jahre, schätze ich mal. Kinder sehe und höre ich nicht, auch sehr angenehm. Ich liebe Kinder, das ist klar, aber wenn ich schon mal ohne eigene unterwegs bin, genieße ich es auch, keine fremden um mich zu haben. Die meisten Reisenden sind als Paare unterwegs und schätzungsweise 25-45 Jahre verheiratet. Ich habe das Gefühl, die meisten haben den richtigen Zeitpunkt für eine Trennung verpasst. Getreu dem Motto: jetzt ist es auch schon wurscht, fahren sie unbeirrt weiter gemeinsam auf Urlaub, haben sich jedoch seit Jahren oder eher Jahrzehnten nichts mehr zu sagen. Es gibt zwei Kategorien. Die einen hassen sich, der Blick, trifft er zufällig den anderen, ist giftig. Man spürt förmlich die Spannung und die Kälte. Die anderen sind sich egal. Der Blick ist trüb, gelangweilt. Beide Kategorien vermeiden es, auch nur eine Sekunde zufällig in die Augen des anderen zu sehen. Sie schauen extra in andere Richtungen. Wie hält man das aus? Was machen sie tagsüber? Vielleicht reden sie ja untertags so viel, und irgendwann ist ja wohl alles mal erzählt. Warum fahren sie nicht alleine oder gar nicht auf Urlaub und sparen das Geld? Ich weiß es nicht und ich trau mich auch nicht zu fragen. Es macht mich traurig. Warum ist mir das bisher nicht aufgefallen? Oder ist im Schützenhof eine besondere Häufung von gescheiterten Beziehungen, atypisch, somit nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung? Ja, so wird es wohl sein. Ein Pärchen ist besonders herausragend. Bei 3 Frühstücken und 3 Abendessen wechseln sie kein einziges Wort miteinander. Einmal sehe ich, wie sich der Mund des Mannes bewegt, doch er redet mit der Tischnachbarin. Fehlanzeige. Wahrscheinlich ist man nach Jahren der Kommunikation mit Kindern am Tisch oder über Kinder auch nicht mehr geübt, über irgendwas anderes zu reden. Wahrscheinlich ist das eh alles ganz normal und ich sehe es nur zu trist.

Zum Frühstück am nächsten Tag gibt es dann noch das Pärchen Business: Sie, Ende 50, sehr schlank, trägt gedämpfte Farben, Oberteil und Hose in altrosa, ton sur ton, sehr teuer, sicher gekauft am Graben oder in der Kärntner Straße im 1. Bezirk, oder so ähnlich, Ballerinas ebenfalls in altrosa, Pagenkopf, weißgrau, sehr gepflegt, man erkennt sofort die Dame mittleren Alters, die es sich leisten kann, regelmäßig zur Kosmetik zu gehen, inklusive Maniküre und Pediküre, das ist klar. Sie hat sicher ihre eigene Karriere aufgegeben, um sich um die Karriere ihres Mannes zu kümmern. Hinter jedem erfolgreichen Mann steht ja bekanntlich eine erfolgreiche Frau. Sie schreitet zielsicher zur Fensterfront, um sich an einen Tisch mit Aussicht zu setzen, bremst plötzlich, dreht langsam und irritiert den Kopf und zieht eine gepflegte, perfekt geschwungene Augenbraue hoch, man merkt ihr richtig das Unverständnis darüber, keinen Tisch in 1. Reihe zu bekommen an, sowas ist ihr noch nicht passiert. So setzt sie sich so würdevoll wie möglich an einen anderen Tisch und bestellt gelangweilt einen Kaffee. Dann kommt ihr Mann, einige Jahre älter, graumelierte Haare, Hornbrille, teurer Anzug, schicke Schuhe und liest in den Salzburger Nachrichten. Sie versuchen wenigstens ein Gespräch, aber es wird nichts Rechtes. Ich kann sie leider nicht hören, ich denke, er versucht ihr gerade zu erklären, dass er schon ein wenig arbeiten muss. Ihre wieder hochgezogene Augenbraue und ihr gekränkter Blick lassen erkennen, dass sie das nicht gerade billigt. Sie versteht überhaupt nicht, was sie eigentlich hier soll. Sie hat sich ein anderes Hotel gewünscht, das ist nicht ihre Klasse. Ich bin neugierig, warum sie gerade hier gelandet sind. Sie hat sich den Urlaub anders vorgestellt, sie hat sich wohl auch ihr Leben anders vorgestellt, aber jetzt – was soll man jetzt noch ändern – und wozu auch. Woanders ist es auch nicht besser. Und sie kann sich alles leisten was sie will. 8 Jahre vielleicht noch, dann wird ihr Mann in Pension gehen, dann werden sie alles nachholen….. Ich habe Mitleid mit ihr.

Ich beschließe meine Studien kurz ruhen zu lassen und gehe schwimmen. Es hat inzwischen 18 Grad und das Wasser wahrscheinlich auch. Ich springe einfach rein, langsam Reingehen ist unmöglich. Ich bin die Einzige im See. Es ist herrlich, herrlich erfrischend, herrlich verrückt. Ich schwimme ein wenig und lege mich dann kurz auf die Sonnenliege, zwar ohne Sonne, aber auch ohne Regen. Das bringt meinen Kreislauf in Schwung. Dann eine kleine Dorfrunde und wieder Sauna. Naja, viel habe ich nicht gemacht, aber das war ja auch das Ziel.

Und beim letzten Abendessen habe ich plötzlich doch noch Hoffnung. Ein Pärchen betritt den Speisesaal. Beide vielleicht Ende 40, eventuell Anfang 50. Sie trägt sehr kurze Haare und ein sehr körperbetontes schwarzes Kleid, obwohl sie es sich figurmäßig nicht ganz leisten kann und hochhackige Schuhe, vielleicht beides eine Spur zu elegant. Als Frau andere Frauen im etwa gleichen Alter zu beschreiben, ist schwer. Es gibt eigentlich nur zwei Kategorien. Sie sieht besser aus oder sie sieht nicht so gut aus wie man selbst. Bei ihr bin ich mir noch nicht ganz sicher. Sie wirkt auf jeden Fall sympathisch. Er, groß, schlank, gebräunt, gut aussehend. Er ist etwas legerer als sie gekleidet und hat sich einen gewissen jugendlichen Charme bewahren können, manchen Männern gelingt das – auch wenn sie älter werden – so à la Hugh Grant. Sie setzen sich an einen Tisch mit Ausblick, an meinen Nebentisch. Sehr gut. Er hält die ganze Zeit ihre Hände und sie REDEN tatsächlich die ganze Zeit miteinander. Sie sehen sich in die Augen. Sie lachen auch und haben sichtlich Spaß. Sie trinken Rotwein und scheinen sehr vertraut und innig. Sie kichert manchmal, sie necken sich. Sie schaut ihn verliebt an, seinen Blick kann ich nicht sehen. Ich kann leider nichts verstehen. Worüber reden sie? Worüber lachen sie? Wie lange kennen sie sich? Ich schätze nicht länger als 3 Monate, sie sind in der ersten Verliebtheit, so scheinen sie zumindest. Ich bin geneigt, zu sagen: bewahren Sie sich das bitte, schauen Sie sich um, Sie sind die einzigen hier! Aber ich mache es natürlich nicht. Dann lacht sie plötzlich laut auf und sagt – etwas zu laut: Nein, du täuscht Dich, das war 1993, nicht 1992. Jetzt bin ich aber erstaunt, kann das sein, dass sie sich 25 Jahre kennen. Nein, oder doch ? Gibt es doch auch EIN nach 25 Jahren glückliches Pärchen hier im Schützenhof? Ich würde mich sehr für die zwei freuen, und weil mich diese Tischnachbarn emotional so berührt haben, und ich grundsätzlich sehr emotional bin, ist diese Geschichte aufgeschrieben worden.

Also eigentlich wollte ich ja eine Kritik zum Schützenhof schreiben, aber ich hab mich wohl etwas verzettelt. Abschließend kann ich sagen: das Schützenhof ist durchaus empfehlenswert, nett, familiär, das Essen ist hervorragend, der direkte Seezugang und die Aussicht großartig. Das Service-Personal ist super freundlich. Die Bar hat alles was man so braucht. Eine Bio-Sauna wäre mir persönlich lieber als eine finnische. Ich habe mich auf jeden Fall hier sehr wohl gefühlt. Preis-Leistung: top !!! Ein wenig Abzug dafür, dass im Saunabereich zwar immer ein Krug Wasser, aber keine Gläser zu finden waren und dass man das Kosmetik/Massage-Programm immer nur für den Vormittag buchen konnte. Also 4,5 Teigspachteln von insg. 5 möglichen. 🙂 Ich komme gerne wieder einmal her und wenn das Wetter dann noch etwas besser ist, wird es optimal!

4 Comments
  1. Leider kann ich mir die von dir so köstlich beschriebenen Langzeitpaare sehr gut vorstellen. Sie entsprechen ganz meinen eigenen psychologischen Studien.

  2. A ch Nici – gut beobachtet – ich reise ja öfters alleine u ich beobachte dies leider ständig und stelle dann oft fest – also das möchte ich nicht geschenkt u ich frage mich wie um alles in der Welt Paare so weiter machen können – Angst vorm Alleinsein, pure Gewohnheit, finanzielle Abhängigkeit was ist wohl der Grund??? Witzig das es dir bis dato nie aufgefallen ist, aber mit eigenen noch recht kleinen Kids fehlt vermutlich die Zeit sich über Hinz u Kunz auch noch den Kopf zu zerbrechen – schrecklich ist, dass selbst im Supermarkt solche Paare, besonders beim großen wochenendeinkauf sehr auffallend sind und sich nur angiften ….also dann doch lieber Solo durch die Welt…

    1. Liebe Sabine ! Danke für dein feedback !! Wahrscheinlich gibt es viele Gründe dafür, ein halbes Segelboot, ein halbes Haus u ein halbes Swimmingpool machen eben nicht soviel Spass und viele Leute wollen lieber gemeinsam alleine sein als ganz alleine. 😘 dir auf deinen Reisen alles Liebe wünscht Dir Deine Teigspachtel

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