Dieser Roman ist in 4 Kapitel eingeteilt. Winter, Frühling, Sommer und Herbst.
L’inverno – Winter
Rosa Fiora, die Ich-Erzählerin dieses Romans, lebt auf einem Hof im Alcantaratal im Osten Siziliens. Dieser Ort ist wegen seiner Fruchtbarkeit sehr berühmt, diese zeigt sich sowohl bei den fleischigen Oliven, saftigen Orangen, fetten Schweinen als auch bei der Zeugungskraft der Männer und der Gebärfähigkeit der Frauen. Rosa ist das einzige Mädchen in der Familie und hat sechs ältere Brüder und zwei jüngere Brüder, ein ganz besonderes Zwillingspaar. Rosa liebt immer schon die Küche und beherrscht die sizilianische Kochkunst wie keine Zweite.
„La cucina“ ist ihr Zufluchtsort, hier trauert sie, hier verarbeitet sie sowohl ihre Gefühle als auch Berge von Mehl, Fleisch, Tomaten, Orangen und Gemüse zu Brot, Marmelade, Speck und Pasta, besonders nach dem tragischen Tod ihres Liebhabers versteckt sie sich monatelang in ihrer cucina und produziert Marmeladen, Schinken, Speck und viele andere Köstlichkeiten für viele viele Jahre, es ist eine Art Raserei, eine frenetische Kochorgie, um ihren Schmerz zu betäuben.
Irgendwann sind keine Lebensmittel mehr da, alle Vorratsschränke zum Bersten gefüllt, ihre Trauer noch immer unsäglich und sie packt ihre Habseligkeiten in einen Koffer, nimmt den Käfig mit ihrem Papagei Celeste vom Haken und geht nach Palermo. Dort nimmt sie sich ein Zimmer und einen Job in einer Bibliothek an und lebt dort 25 Jahre so dahin, ohne Höhen und Tiefen, ohne überhaupt viel zu spüren. Sie will dort ein Leben ohne Vergangenheit beginnen, tatsächlich ist es ihr gar nicht möglich, richtig zu leben, sie lässt die Zeit vergehen.
La primavera – Frühling
Es ist ein böiger Regentag im April und Rosa kommt völlig durchnässt vom Morgeneinkauf am Markt in ihre Bibliothek, da wartet dort schon ein Fremder auf sie, er möchte die Manuskripte sehen. Rosa lässt ihn erst mal warten, denn sie ist es gewöhnt, ihre Aufgaben in der gleichen Art und Weise zu erledigen, dann eine Stunde später ist sie bereit, ihn zu sehen. „Ich blickte dem Fremden in die Augen. Sie hatten die Farbe des Meeres bei Taormina, eher türkis als blau, und sie funkelten wie das Sonnenlicht auf dem Spiel der Wellen. Noch nie hatte ich so schelmische Augen gesehen. Da wusste ich, dass ich auf der Hut sein musste.“ Es entsteht ab der ersten Sekunde eine unglaubliche elektrisierende Anziehung zwischen beiden, Rosa weiß bereits wie es unweigerlich weitergehen wird, wenn sie ihren Kopf einschaltet, sagt der, das kann alles gar nicht sein. Ihr Herz weiß es aber. „Der Engländer“ wie er in dem Roman immer genannt wird, begehrt sie so sehr und macht auch keinen Hehl daraus. Rosa kennt nur ein Gegenmittel, sie kocht des nächtens, um sich zu beruhigen mit dem Ergebnis, dass durch die Wohlgerüche bald das ganze Haus weiß, dass da was in Gange ist. In ihrem Träumen sieht sie schon einiges voraus, das sich dann noch wunderbarer erfüllen sollte.
L’estate – Sommer
Er zieht sie vollkommen in seinen Bann und bringt sie dazu, ihn in sizilianischer Kochkunst zu unterrichten und während die erste gemeinsame Pastete im Ofen auf ihre goldgelbe Farbe wartet, errötet Rosa in den Händen des Engländers. Er ist genauso erfahren in der Liebeskunst wie sie in der Kochkunst, und beide geben ihre Erfahrungen gerne und ausführlich an den anderen weiter. „Eine Mahlzeit ist ein sinnliches Vergnügen, eng verwandt mit dem Liebesakt, etwas, das man auskosten, nicht rasch hinter sich bringen darf. Wir sollten uns ihrer Sinnlichkeit hingeben, Signorina.“ Es folgt eine Zeit der absoluten Hingabe, Leidenschaft und Liebe. „Was einen Mann und eine Frau zusammenführt, diktiert allein das Herz. Als ich sie an jenem Tag in der Bibliothek zum ersten Mal sah, sprachen unsere Herzen zueinander.“ Sie lernen viel voneinander und einige Wochen später wird Rosa von ihm eingeladen, er kocht für sie ein Festmahl, welches mit allen Sinnen zelebriert und genossen wird. „Der Engländer war ein Meister sizilianischer Kochkunst geworden, und ich, die Bibliothekarin, hatte erfahren, was es bedeutet, einen Mann zu lieben und von ihm geliebt zu werden.“
L’autunno – Herbst
In der Villa des Engländers ist ein Essen geplant, und voller Vorfreude geht Rosa mit vollgestopften Einkaufskorb zu ihm. Er ist noch nicht da, sie wartet und wartet, vorher noch ganz unbefangen, doch irgendwann wird ihr klar, dass er nie mehr wiederkommen würde. Irgendeine Geschäftsreise, irgendein Geheimnis, er ist weg. Irgendwann begreift sie, dass er nie mehr zurückkommen wird. Sie geht in ihre kleine Wohnung heim und kocht, gibt sich dazwischen verwirrenden Tagträumereien hin, dann schiebt sie die trostspendende sfincione in den Ofen, schläft irgendwann ein und erwacht, weil sie Feuerwehrleute vorsichtig aufs Trottoir betten. Schwer gezeichnet vom Rauch in den Lungen verbringt sie mehrere Wochen im Krankenhaus, magert sehr ab und ist zum ersten Mal in ihrem Leben schlank. Ihre Zwillingsbrüder, inzwischen erwachsene Männer holen sie schließlich nach Hause, sie hat alles verloren. Ganz langsam wird sie zuhause wieder aufgepäppelt und die frische Landluft lässt sie zu neuen Kräften kommen. Manche Männer versuchen, sie zu erobern, aber Rosa weiß, mit dem Engländer kann es keiner aufnehmen. Es gibt keinen zweiten wie ihn.
Bald ist sie ein Jahr wieder in Castiglione. Sie hat das Zepter in die Hand genommen, führt den Hof mit ihren Brüdern wie einst Mama, und noch besser und ist zufrieden mit ihrem neuen Leben. Wenn da nicht die Sehnsucht wäre, nach dem Einen, und diese Sehnsucht wird auch nie vergehen…..
Wenn du immer schon wissen wolltest, was wahre Leidenschaft ist, was Essen mit Sex und Erotik verbindet und du ein wahrlich sinnliches Meisterwerk lesen willst, dann führt kein Weg vorbei an diesem Roman. Witzig, unglaublich leidenschaftlich und streckenweise einfach total grotesk werden sowohl die Geschmacksnerven als auch die Lachmuskeln ordentlich strapaziert und als LeserIn bekommt man Lust die sizilianische Kochkunst und auch auf die Liebeskunst zu erlernen und zu erleben. Lily Prior schreibt derart intensiv und lebendig, dass man das frisch gebackene Brot förmlich riechen kann beim Lesen und bei der Beschreibung von Rosas weithin berühmten Pastas läuft einem wirklich das Wasser im Mund zusammen, viele andere sehr beeindruckende Szenen will ich jetzt nicht vorwegnehmen. Das Buch ist nie derb, es scheut aber auch nicht davor zurück, alles auszusprechen, nichts zu beschönigen oder zu verschweigen. Ein wahrlicher Genuss, es zu lesen, wenn du bereit bist, richtig in die Themen „Sex, Liebe und Essen“ einzutauchen. „Ich liege hingegossen auf dem Tisch, mein nacktes Fleisch auf dem kühlen, zärtlichen Eichenholz. Hintern und Schenkel prall.“
Lily Prior ist in London geboren, und dieser Roman ist ihr erster. Sie liebt die italienische Küche und Kultur und reist mehrmals im Jahr nach Sizilien. Sie ist 1966 geboren, damit 2 Jahre älter als ich.